Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts
Liegt eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls vor, der nicht mit milderen (ambulanten) Massnahmen begegnet werden kann, hat die KESB den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen und ihr Kind an einem geeigneten Ort unterzubringen.
Eine erhebliche Gefährdung des Kindes ist beispielsweise die körperliche Misshandlung oder ein sexueller Missbrauch. Auch eine destruktive Erziehungshaltung, eine vollständige Überbehütung oder weitgehende Gleichgültigkeit sowie eine Überforderung können Kindswohlgefährdungen darstellen.
Die Geeignetheit des Unterbringungsortes beurteilt sich nach den Bedürfnissen des Kindes. So kann eine Unterbringung in einer heilpädagogischen Pflegefamilie, in einem Kinder - oder Jugendheim das Richtige sein. Bei Jugendlichen kann auch eine begleitete Wohngruppe in Frage kommen, wenn sie die Bedürfnisse des Kindes abdecken können. Stets wird auch geprüft, ob nahestehende Angehörige oder Vertrauenspersonen der Familie kurz - oder langfristig das Kind betreuen können.
Benötigen Kinder einen geschlossenen, kinderpsychiatrischen Rahmen können sie in einer geeigneten Einrichtung nach den Bestimmungen der fürsorgerischen Unterbringung platziert werden.
Wird ein Kind platziert, ist es wichtig, dass der laufende Kontakt mit den Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen nach Möglichkeit bestehen bleibt. Während der Zeit der Fremdunterbringung des Kindes wird versucht, die Eltern in ihren Erziehungs- und Selbstkompetenzen aufzubauen. Im Idealfall soll das Aufenthaltsbestimmungsrecht den Eltern wieder zurückgegeben werden. Die Eltern werden deshalb während der Zeit der Fremdunterbringung ihres Kindes auch auf die Wiederaufnahme ihres Kindes vorbereitet.
Fallbeispiel
Frau S meldete der Polizei, dass das Kind ihrer Nachbarin seit mehreren Stunden ununterbrochen schreie und sie das Gefühl habe, dass die Mutter mit ihrer Tochter überfordert sei. Die Polizei rückte an den Wohnort der Nachbarin von Frau S aus. Nach mehrmaligem Klingeln öffnet die verschlafene Frau B, welche stark nach Alkohol riecht, die Wohnung. Die Polizei findet die zweijährige A schreiend auf dem Wohnzimmerboden auf. Ein Kinderzimmer hat es in der chaotischen Einzimmerwohnung keines. Das Gesicht des Kindes ist mit eingetrocknetem Nutella verschmiert und die Windeln sehen aus, als seien sie schon lange nicht mehr gewechselt worden. Die Polizei informiert die KESB, welche in der Folge sofort am Wohnort von Frau B eintrifft und mit ihr ein Gespräch führt. Frau B erklärt, mehrere Schlaftabletten sowie Antidepressiva zu sich genommen zu haben. auch äussere sie gegenüber der KESB Selbstmordgedanken. Sie leide seit Jahren an Depressionen und sei in psychiatrischer Behandlung. Ihre Tochter A sei das einzig wichtige in ihrem Leben; niemand werde sie ihr wegnehmen. Die KESB erklärt Frau B, dass sie ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht entziehen müsse, da sie - in ihrer psychischen Verfassung - nicht die Verantwortung für ein zweijähriges Kind übernehmen könne. Die Mutter beginnt zu toben und schreit, sie werde sich umbringen. Es wird ein SOS- Arzt aufgeboten, welcher die fürsorgerische Unterbringung von Frau B aufgrund Selbstgefährdung ärztlich anordnet. Die KESB entzieht der Kindsmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A und beschliesst eine Notfallplatzierung bei der Pflegefamilie X. Abklärung ergeben, dass der Vater der kleinen A unbekannt ist. auch hat Frau B keine Verwandte, welche A aufnehmen könnten. Weitere Abklärungen betreffend Frau B ergeben, dass sie manisch- depressiv ist und bei ihr seit Jahren eine Suchtproblematik in Form von Medikamentenmissbrauch und Alkoholkonsum vorliegt. Die KESB führt weitere Gespräche mit Frau B. Frau B erklärt sich nicht einsichtig in Bezug auf ihre Sucht. Sie habe sich schon immer gut um A gesorgt und wolle sie wieder bei sich haben. A kann dauerhaft bei der Pflegefamilie X. bleiben. Der Zustand sowie das Suchtverhalten der Kindsmutter wird weiterhin beobachtet. Im Fall einer Suchtabstinenz sowie einer Verbesserung ihres psychischen Zustandes, wird eine Rückplatzierung in Betracht gezogen.